17. November 2010

Kolumne (2): Nur der Schöpfer ist fehlerfrei
In den Weleda-Nachrichten erscheint eine dreiteilige Kolumne von Isabel Stadnick über verschiedene kulturelle Aspekte der Lakota-Indianer. Dies ist der zweite Beitrag, erschienen im Heft 254, 2010.

Die Indianer Nordamerikas symbolisieren für uns das Bild des in Einklang mit der Natur lebenden Menschen. Als die «zivilisierten» Völ­ker aus Europa in ihren Lebensraum eindrangen, kam es zu grossen Veränderungen. Mit ihnen kamen fremde Wertvorstellungen und unbe­kannte Produkte – die althergebrachte Lebens­weise wurde weitgehend zerstört.

Heute noch leiden viele Lakota-Indianer unter den Folgen des kulturellen Zusammenpralls: Armut, einseitige und ungesunde Ernährung machen den Menschen zu schaffen und führen zu einer extrem hohen Diabetes-Rate von über 50% im Pine-Ridge-Reservat.

In all den Jahren im Reservat habe ich oft festge­stellt, wie viel des traditionellen Wissens trotz der schwierigen Umstände erhalten geblieben ist und der nächsten Generation weitergegeben wird. So ist zum Beispiel die beste Art der Natur­produktverarbeitung das Trocknen: Ohne Kon­servierungsmittel und Zusätze wird die Essenz und Qualität des Naturschatzes bewahrt.

Das Hauptnahrungsmittel der Lakota war und ist bis heute Fleisch. Der Bison bildete das Fun­dament ihrer Ernährung. Aus ihm wurden viele Rohstoffe für das tägliche Leben gewonnen. Die Bedeutung des Bisons für das eigene Leben drü­cken die Lakota damit aus, dass sie das Tier als Verwandten ehren. Er wird nicht nur als Versor­ger, sondern als Teil der Gemeinschaft mit einem Ehrenplatz gewürdigt. Die Trocknung des Flei­sches ist einfach: In dünne Streifen geschnitten, wird es direkt in die Sonne oder an einen trocke­nen Platz gehängt. Innerhalb weniger Tage ist es so trocken, dass es, mit einem Mörtel zerstampft und mit getrockneten wilden Beeren gemischt, als Vorrat für Reisen und für die Wintermonate genutzt werden kann.

Ein weiteres Naturprodukt in reinster Qualität ist der wilde Salbei. Er wächst in der Prärie bis 50 cm hoch und wird nicht nur als Arzneimit­tel eingesetzt, sondern getrocknet vor allem als «heiliges» Kraut in Zeremonien. Salbei besitzt klärende Eigenschaften, die Lakota reinigen den Raum und sich selbst vor jeder Zeremonie und jedem Gebet mit dem durchdringenden Duft des getrockneten Salbeis.

Im Kunsthandwerk haben sich die Lakota durch die Glasperlen-, Leder- und Stachelschwein­borsten-Verarbeitung eine eigene Kultur für Gebrauchsgegenstände geschaffen. Mit Glasper­len und gefärbten Stachelschweinborsten wer­den Taschen, Mokassins, Kleider und Schmuck in den typischen Mustern bestickt – wobei hier nicht Perfektion angestrebt wird. Von vielen Lakota-Kunsthandwerkern habe ich nämlich oft gehört, dass ein Künstler in seinem Werk einen kleinen Fehler bestehen lässt: Durch diesen bewussten Verzicht auf Perfektion drücken die Lakota ihre Demut dem Schöpfer gegenüber aus. Denn nur der Schöpfer ist fehlerfrei. Ihm allein steht die Perfektion zu – wobei auch gesagt wird, dass durch diesen kleinen Fehler die geistigen Wesen hindurchschlüpfen können.

- Erster Beitrag der Kolumne

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